I. Befreiungsregelungen
Der Verbotszeitraum gemäß § 6 Abs. 8 Nr. 2 der DüV, wonach Düngemittel mit wesentlichem Gehalt an Stickstoff
(über 1,5 % in der Trockenmasse) auf Grünland und Dauergrünland in der Zeit vom 1. November bis zum Ablauf des 31. Januars
nicht ausgebracht werden dürfen, wird auf den Zeitraum vom 15. November 2024 bis 14. Februar 2025 verschoben.
Diese Verschiebung wird gemäß § 6 Abs. 10 DüV ausdrücklich nur für Grünland- und
Dauergrünlandflächen genehmigt.
II. Räumlicher Geltungsbereich
Die Allgemeinverfügung gilt nur innerhalb des Landkreises Tuttlingen. Sie gilt jedoch nicht für Problem- und Sanierungsgebiete von Wasserschutzgebieten sowie Nitratgebiete. Diese Gebiete sind von der Allgemeinverfügung ausdrücklich ausgenommen.
III. Anordnung der sofortigen Vollziehung
Gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) wird die sofortige Vollziehung der Ziffer I angeordnet.
IV. Nebenbestimmungen
1. Die o. g. Verschiebung des Verbotszeitraumes auf Grünland und Dauergrünland wird nur außerhalb von Problem- und Sanierungsgebieten von Wasserschutzgebieten sowie Nitratgebieten genehmigt.
2. Unbeschadet der Verschiebung des Verbotszeitraumes sind alle weiteren Vorgaben der DüV innerhalb von Nitratgebieten der Verordnung der Landesregierung zu Anforderungen an die Düngung in bestimmten Gebieten zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigungen (VODüVGebiete) und innerhalb von Wasserschutzgebieten zusätzlich die Vorgaben der Schutzgebiets- und Ausgleichs-Verordnung (SchALVO) in der jeweiligen Fassung zu beachten.
3. Die mögliche Aufbringungsmenge ist auf maximal 60 kg Gesamtstickstoff je ha zu begrenzen.
4. Die Stickstoffgaben sind mit ihrem anrechenbaren Stickstoffanteil (Werte nach Anlage 3 der DüV, mindestens jedoch der verfügbare Stickstoff bzw. Ammoniumstickstoff) grundsätzlich nur im Rahmen des für das gesamte Kalenderjahr ermittelten Stickstoffdüngebedarfs möglich. Eine mögliche Gabe nach dem letzten Schnitt bzw. der letzten Beweidung ist nur dann möglich, wenn dadurch im Kalenderjahr die mit der Düngebedarfsermittlung ermittelte gesamte Stickstoffdüngemenge nicht überschritten wird.
5. Die Stickstoffgaben sind mit ihrem anrechenbaren Stickstoffanteil (Werte nach Anlage 3 der DüV, mindestens jedoch der verfügbare Stickstoff bzw. Ammoniumstickstoff) bei dem ermittelten N-Düngebedarf im Folgejahr in Ansatz zu bringen. Hierfür sind die ausgebrachten Düngermengen zu dokumentieren.
6. Auf Hangflächen ab 10 % Neigung zur Böschungsoberkante eines Gewässers sind mindestens 10 m Abstand einzuhalten, auf ebeneren Flächen gilt ein Mindestabstand von 5 m zur Böschungsoberkante von Gewässern.
7. Insbesondere wird auf das Verbot der Aufbringung, wenn der Boden überschwemmt, wassergesättigt, gefroren oder schneebedeckt ist (§ 5 Abs. 1 DüV), und die Vermeidung von Nährstoffeinträgen in Oberflächengewässer hingewiesen.
8. Eine Ausbringung auf erosionsgefährdeten Standorten sowie auf Anmoor- und Moorböden ist nicht zulässig.
9. Eine Ausbringung im Bereich von großen Erdfällen, Dolinen und tiefen Karstwannen ist nicht zulässig.
10. Es wird darauf hingewiesen, dass die Sperrzeit vom 1. Dezember bis zum Ablauf des 15. Januar für alle Düngemittel mit wesentlichem Gehalt an Phosphat und für alle Nutzungen gilt.
11. Die Allgemeinverfügung kann jederzeit ganz oder teilweise widerrufen oder mit weiteren Nebenbestimmungen versehen werden.
12. Die Genehmigung erlischt mit dem Ende des jährlichen Verbotszeitraumes.
V. Inkrafttreten
Diese Allgemeinverfügung tritt am Tag nach der Bekanntmachung in Kraft.
Begründung
Ziffer I und II dieser Verfügung ergeht auf der Grundlage von § 6 Abs. 10 Satz 1 der Verordnung über die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis beim Düngen vom 26.05.2017 (Düngeverordnung – DüV) in Verbindung mit § 6 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 der DüV. Demnach kann die nach Landesrecht zuständige Behörde genehmigen, dass der Beginn und das Ende des Verbotszeitraums nach § 6 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 DüV um bis zu vier Wochen verschoben werden. Nach § 6 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 DüV ist es untersagt, Düngemittel mit wesentlichem Gehalt an Stickstoff u.a. auf Grünland und Dauergrünland in der Zeit vom 1. November bis zum 31. Januar aufzubringen. Im Landkreis Tuttlingen ist die zuständige Landesbehörde gemäß § 29 Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz (LLG) das Landratsamt Tuttlingen als untere Landwirtschaftsbehörde.
Das Landratsamt Tuttlingen hat in Ausübung seines Ermessens aufgrund folgender Erwägungen entschieden, dass Beginn und Ende des nach § 6 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 DüV bestehenden Verbotszeitraums für Grünland und Dauergrünland in den unter Ziffer II genannten Gebieten um zwei Wochen verschoben wird:
Die landwirtschaftlich genutzten Flächen in dem unter Ziffer II. dargestellten Geltungsbereich liegen alle über 645 m über N.N. Bezogen auf die neue Kulisse 2019 der benachteiligten Gebiete in Baden-Württemberg ist der Bereich zu zwei Dritteln der benachteiligten Agrarzone und zu einem Drittel dem Berggebiet zuzuordnen. Aus diesem Grund ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass bis Mitte November wenig Niederschläge fallen und Temperaturen über 4°C herrschen. Dagegen sind in den Monaten Januar und Februar niedrige Temperaturen, in der Regel unter 0°C, verbunden mit einer geschlossenen Schneedecke sehr häufig zu beobachten. Falls in dieser Zeit die Temperaturen über 0°C liegen, sind die Böden nach einer Schneeschmelze oder auf Grund der bis dahin gefallenen Niederschläge (bei fehlender Verdunstung) wassergesättigt. Daher sind die Böden im Herbst bis Mitte November in der Regel gut befahrbar, die aufgebrachten Düngemittel werden nicht abgeschwemmt und die Pflanzen ergrünen im Frühjahr früher und schneller.
Im Frühjahr ist zu erwarten, dass die Flächen durch einen späten Rückgang des Schnees, insbesondere steile Flächen in den Berggebieten, wassergesättigt sind und daher nicht sofort gefahrlos befahren werden können. Auch dürfen diese Flächen aus Bodenschutzgründen und zur Erhaltung einer intakten Grasnarbe nicht befahren werden. Die ausgebrachten Nährstoffe gelangen oft nicht in den Boden und eine oberflächige Abschwemmung ist zu befürchten.
Bei den im Februar herrschenden tiefen Temperaturen ist nur ein geringes Pflanzenwachstum und damit ein sehr geringer oder kein Nährstoffbedarf zu erwarten.
Sind die Flächen dann im späten Frühjahr nach guter fachlicher Praxis befahrbar, ergeben sich für die Landwirte logistische Schwierigkeiten, die Düngegabe rechtzeitig zum darauffolgenden schnellen Wachstum der Pflanzen aufzubringen. Aufgrund der Auflagen nützen viele Betriebe überbetriebliche Maßnahmen, welche entsprechende Kapazitäten und eine gewisse Vorlaufzeit voraussetzen. Die benötigte Nährstoffmenge kann aufgrund von Zeitdruck und Kapazitätsengpässen dadurch nicht rechtzeitig ausgebracht werden.
Ziffer III ergeht auf der Grundlage von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Danach entfällt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten besonders angeordnet wird. Vorliegend hätte die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage angesichts der relativ kurzen Verschiebung des Verbotszeitraums des § 6 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 DüV um lediglich zwei Wochen zur Folge, dass die unter Ziffer I und II getroffene Regelung faktisch überhaupt nicht umgesetzt werden könnte. So übersteigt die Zeit, nach der sowohl über den Widerspruch als auch über eine Klage im Hauptsacheverfahren entschieden worden ist, den betreffenden Zeitraum von zwei Wochen in aller Regel bei weitem. Mit Blick auf die Belange der Landwirtschaft an einer sachgerechten Nährstoffausbringung und unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Interessen der betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe kann es nicht hingenommen werden, dass die Umsetzung der nach Ziffer I ausgesprochenen Befreiung durch eine bloße Widerspruchs- und Klageerhebung unterlaufen werden könnte. Aus diesem Grund überwiegt das öffentliche Interesse an einer zweckmäßigen und sachgerechten Nährstoffausbringung in den betreffenden Gebieten sowie das private diesbezügliche Interesse der betroffenen bäuerlichen Betriebe das Interesse desjenigen, der Widerspruch und Klage erhebt, mit der Umsetzung der getroffenen Regelung so lange zuzuwarten, bis über den Widerspruch und die Klage abschließend entschieden wurde.
Ziffer IV ergeht aus Gründen des Boden- und Wasserschutzes auf der Grundlage von § 36 Abs. 2 Nr. 4 Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG), soweit darin Pflichten auferlegt werden, die sich nicht bereits unmittelbar aus gesetzlichen Regelungen ergeben.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder mündlich zur Niederschrift beim Landratsamt Tuttlingen, Bahnhofstraße 100, 78532 Tuttlingen einzulegen. Die Frist ist auch gewahrt, wenn der Widerspruch beim Regierungspräsidium Freiburg, Bissierstraße 7, 79114 Freiburg erhoben wird.
Hinweis:
Es wird darauf hingewiesen, dass der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat (s. oben unter Ziff. III).
Tuttlingen, den 12.09.2024
gez. W. Schwarz
Dezernent Ländlicher Raum
Landratsamt Tuttlingen